memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) HANS GEHL1, GERMANIA Cuvinte cheie: convieţuire multiculturală şi interetnică, artă populară, moştenire culturală, Germania, România, Ungaria, Europa Centrală şi de Est, Banat, Ardeal, etnii, saşi, şvabi Relaţii interetnice în Europa Centrală şi de Est: Banatul şi Transilvania Rezumat Studiul de faţă prezintă iniţial istoricul relaţiilor interetnice şi interculturale în Germania, unde s-a înlocuit după 1950 etnografia „insulelor lingvistice,“ prin cercetarea actuală a dialogului inter - cultural şi a relaţiilor interetnice. În continuare, se analizează coexistenţa etniilor din Banat şi influenţarea lor reciprocă culturală şi artistică. Coexistenţa pe plan economic şi social se reflectă în manifestările culturale şi în arta populară specifică Banatului, în special în domeniile îmbrăcăminte şi arhitectură populară (de ex. frontonul tipic german preluat de celelalte etnii). Observaţii asemănătoare rezultă din analiza fenomenelor de interculturalitate în Ungaria şi România, în general. Astfel, în sudul Ungariei (comitatul Baranya), sculpturile religioase (în special crucile de câmp) pot fi atribuite, după culoarea lor, populaţiei maghiare, germane sau croate. Iar în nordul Ardealului, şurele tipice săseşti şi ale şvabilor sătmăreni se întâlnesc şi la casele ţăranilor români. Interferenţele interculturale dintre etniile convieţuitoare, în tradiţiile culturale româneşti - în special cele din arta populară - au fost cercetate şi prezentate în numeroase publicaţii. Din ele rezultă necesitatea perpetuării şi îngrijirii moştenirii culturale. 1 Institutul de Istorie şi Etnocultură al şvabilor dunăreni Tübingen, Germania 6 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Key words: multicultural coexistence, inter-ethnicity, folk art, cultural heritage, Germany, Romania, Hungary, Central and Eastern Europe, Banat, Transylvania, ethnies Inter-ethnic Relations in Central and Eastern Europe (Banat and Transylvania) Summary This contribution first treats the history of the inter-ethnicity and interculturality in Germany, where the former study of the ethnic culture of language islands was replaced by the currently used research of intercultural dialogue and inter-ethnic relations. It then examines the cultural and artistic interaction of ethnic groups in the Banat. The economic and social life is reflected in the culture and the folklore of the Banat, in the clothing and construction (German forms of gables used by other ethnic groups). The same is true for the interculturality in Hungary and Romania, where in the Baranya (Southern Hungary) the religious sculptures (shrines) of Hungarians, Germans and Croats can only be distinguished by their color, or in Northern Transylvania, where the Saxon barn is part of Romanian farm houses. The intercultural interactions between cohabiting ethnic groups in the Romanian cultural heritage and particularly in folklore were already explored and shown in various publications. The cultural heritage must be maintained. 7 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Interethnische Beziehungen in Mittelosteuropa: Banat und Siebenbürgen2 (1) 1 Zur Erfoschung der interethnischen Beziehungen in Deutschland In seinem Einführungsvortrag zur Internationalen wissenschaftlichen Tagung vom Mai 2002 in Tübingen über “Regionale Volkskulturen in Ostmitteleuropa. Abgrenzung - Nachbarschaft - Interethnik“, sprach Univ.-Prof. Werner Metzger, Leiter des Lehrstuhls für Volks- und Völkerkunde der Universität Freiburg und Vorsitzender der Kommission für deutsche und sudosteuropäische Volkskunde, über die Herausbildung einer neuen Orientierung in der deutschen Ethnologie, und zwar zum Übergang von der isolierten „Sprachinselvolkskunde“ zu weltoffenen interkulturellen Studien. An der Eberhard-Karls-Universität von Tübingen, wo der Volkskundelehrstuhl 1947 den Namen “Empirische Kulturwissenschaften” erhielt, wurde ein Dialog mit den deutschen Ostver- triebenen aus ihrer jahrhundertealten Heimat, eingeleitet. Das führte auch zu einem neuen Interesse an den früheren Sprachinseln in Ostmitteleuropa, in denen heute nur mehr wenig Deutsche leben, und die lange Zeit durch den Eisernen Vorhang unerreichbar waren. Die Zielsetzungen der heutigen Forschung sind von den früheren grundverschieden. Die Ethnologin Ingeborg Weber-Kellermann beanstandete bereits 1959 als erste den falschen Ansatz der „Sprachinselvolkekunde“, welche lediglich die rein deutschen, in einem fremden kulturellen Umfeld isolierten Volkselemente untersuchte. Dagegen empfahl die Forscherin, statt der trennenden und gegensätzlichen Faktoren vor allem die jahrhundertealten kulturellen Kontakte in den untersuchten multiethnischen Regionen zu untersuchen. (Weber-Kellermann 1959: 20) Aus dieser neuen Sichtweise entstanden bis heute zahlreiche interkulturelle Studien. Sie zeigten die Beziehungen zwischen den Ethnien einer Region auf untersuchten die Abgrenzung und das Zusammenleben der Völker eines Gebietes. (Roth 1996: 16) Interethnische Forschungen widmen sich auch den Migrationsprozessen und ihren Folgen, der gegenseitigen Wahrnehmung benachbarter ethnischer Gruppen, einschließlich der Selbst- und Fremdwahrnehmung jeder Gruppe. Es muss hervorgehoben werden, dass solche Stereotype (wie: der Deutsche ist geizig oder der Rumäne ist faul) nicht a priori negativ zu bewerten sind. Sie sind bloß der erste Versuch der vereinfachten Verallgemeinerung allgemeiner Eindrücke im Kontakt mit dem fremden Element (meint der Tübinger Ethnologe Hermann Bausinger.Verwerflich ist bloß, wenn solche stereotypen Erstwahrnehmungen nicht in einem späteren genaueren Prozess des gegenseitigen Kennenlernens korrigiert werden. Die interkulturelle Forschung mit ihrer komplexen Fragestellung ist heute ein wesentlicher Teil der Volkskundeforschung bzw. der europäischen Ethnologie, wie sie in Deutschland genannt wird. Eine interkulturelle Forschungsausrichtung betreibt auch das am 1. Juli 1987 gegründete „Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde“ in Tübingen. Diese Forschungsausrichtung führte zu zahlreichen Veröffentlichungen in allen Forschungsbereichen des Instituts: Geschichte, Geografie, Literatur, Landeskunde: Ethnologie und Linguistik (einschließlich Dialektologie). 2 Übersetzung und Neubearbeitung meines rumänischen Vortragstextes anlässlich der Verleihung des Titels Professor honoris causa durch die Philosophische Fakultät der Universität Baia Mare, am 7. 05. 2008. 8 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Zu den Publiaktionen zählen die vier, von Hans Gehl erarbeiteten donauschwäbischen Wörterbuchbände (zum Fachwortschatz der Handwerker – 2 – der Landwirtschaft und der Lebensformen – Volkskunde). Sie erschienen in Stuttgart von 1997 bis 2005 und behandeln in 14.500 Wortartikeln den deutschen Wortschatz in einer multiethnischen Region Mittelosteuropas. Darin ist die Konversation in drei oder vier Sprachen selbstverständlich, während zahlreiche linguistische und kulturelle Interferenzen das jahrhundertealte Zusammenleben und interethnische Zusammenwirken bezeugen. (Gehl 1994: 31-75) Daneben darf nicht übersehen werden, dass neben einer problemlosen Kommunikation und einer reibungslosen Zusammenarbeit auch Kommunikationselemente mit einem beträchtlichen Konfliktpotential bestehen. Gerade deshalb ist die kulturelle Differenz eine der interessantesten Bereiche der Interethnik. Und gerade auf der erwähnten Tagung in Tübingen behandelten einige Referenten das schwierige Thema der interkulturellen Kommunikation. Nach 1990 nutzten zahlreiche Forscher die Vorteile der neuen Reisemöglichkeiten in Mittelosteuropa. So wurde an der Universität München ein neuer Lehrstuhl für interkulturelle Kommunikation geschaffen. Die Verstärkung der europäischen Kulturkontakte erweiterte auch das Arbeitsfeld der europäischen Ethnologie. Die interkulturelle Kommunikation setzt zudem eine erneuerte Definition der Kultur voraus. Neben den alten Bereichen: Volkskultur versus gehobene Kultur trat um 1970 der neue Bereich der Massen- oder Trivialkultur auf. So kam es zur Unterscheidung zwischen den objektiven, sichtbaren und den subjektiven, unsichtbaren Elementen der Kultur, die aber nicht dasselbe bedeuten wie der immaterielle Aspekt. Denn der subektive Teil enthält zahlreiche Vorstellungen, Normen, Ausrichtungen und Haltungen, Denk- und Wahrnehmungsformen. Gemäß dieser neuen Definition treten die Kulturen innerhalb der interkulturellen Kommunikation auf. Sie bilden komplexe und äußerst vielseitige Systeme und sind im Laufe der Zeit einem ständigen Wechsel unterworfen. (Roth 1996: 20) Mit anderen Worten stößt die interkulturelle Kommunikation ständig an den Gegensatz zwischen der besonderen Komplexität der kulturellen Systeme und der Möglichkeit der Individuen, diese Komplexität zu einer einfacheren Kategorie abzubauen. Natürlich werden auch neue und umfassende Beobachtungskategorien benötigt. Klaus Roth vertritt die Meinung, dass zum Verständnis und der korrekten Interpretation der Kommunikation zwischen fremden Individuen, neben dem einfachen Inhalt auch der Beziehungsaspekt berücksichtigt werden muss. Das heißt, dass neben der kognitiven verbalen Mitteilung des Kommunikationsgehaltes auch der paraverbale Aspekt (Rhythmus ind Intonation des Diskurses) sowie der nonverbale Aspekt (Gestik, Mimik und allgemeines Verhalten des Sprechers) von Bedeutung ist. Die nonverbale Komponente, das heißt das gefühlsmäßige Verhalten, sei sogar noch wichtiger als der verbale Aspekt. (Roth 1996: 21 f.) Dieser Kommunikationsaspekt interessiert zunehmend mehr auch die zeitgenössische Linguistik. Daraus geht hervor, dass sich sowohl die Ethnologie als auch die Linguistik mehr der ethischen Werte und der Wahrnehmung der Individuen und der Gruppe durch eine andere Ethnie annehmen müssen, mit der Kontakte geknüpft und Informationen ausgetauscht werden. Solche Erscheinungen können bislang noch nicht genau bestimmt werden, doch ihnen kommt eine große Bedeutung in allen interkulturellen Begegnungen zu; sie können sogar zu sprachlichen Barrieren führen. Andererseits ist das problemlose und korrekte Verstehen von einer großen Anzahl gemeinsamer Ereignisse und Tätigkeiten bedingt, in unserem Fall auch von einer gemeinsam erlebten historischen Etappe. 9 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) 2 Interethnische kulturelle und künstlerische Beziehungen im Banat und interkulturelle Aspekte im volkstümlichen Bauwesen Bei der Analyse konkreter Fälle von interkulturellen Beziehungen, ihren Schwierigkeiten und Möglichkeiten, beginnen wir mit den Feststellungen des Banagter Ethnologen Walther Konschitzky în Banat. Der Autor des Bandes über Banater Volksarchitektur [Konschitzky 2006] bezieht sich (auf Seite 63) auch auf Weber-Kellermann, die feststellt: Wir – und die anderen, das ist ein grundlegendes Thema in der Geschichte des Zusammenlebens verschiedener Ethnien in Mittelosteuropa. Ihr Denken und Handeln, ihre Welt sicht, ihre Konflikte und Anliegen vollzogen sich in einem strukturalen System, das sich vom Standpunkt der Regionalgeschichte, der ethno-sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten niemals isoliert auf einzige Gruppe bezog. Wir – und die anderen, und das bedeutete gemeinsame Arbeit und Feste, gemeinsam erlebte Geschichte, bedeutet auch einen ständigen Akkulturalisationsprozess, im Einklang mit den ständig wechselnden Lebensbedingungen ihres Umfeldes. (Weber-Kellermann 1978: 11) Die gegebenen Bedingungen riefen in multiehnischen Gebieten einen für Kontaktzonen typischen Annäherungsprozess hervor, durch die gleichzeitige Wirkung einerseits von konservativen Kräfte zur Bewahrung geistiger Werte und des Kulturgutes, andererseits von Kräften zur Ausbildung neuer Formen und Verfahren. Dieser Prozess ist kennzeichnend für alle Ethnien, doch ohne gleiche Ergebnisse zu erzielen. Kennzeichnend für den ländlichen Raum ist die Feststellung, dass zu allen Zeiten die Voraussetzungen für die Übernahme neuer, praktischer Lebensbedingungen und – durch den Einfluss der Mode - anziehender ästhetischer Formen bestanden haben. Im ländlichen Raum des Banates war ein gemeinsames Merkmal aller Ethnien, möglichst viel Boden und dadurch materiellen Reichtum zu erwerben, um so den Wohlstand des Besitzers und sein Ansehen in der ländlichen Gemeinschaft zu veranschaulichen. Positive Veränderungen kennzeichnen geistige Regsamkeit und den Wunsch zur kulturellen Erneuerung – hier im Bereich der Volkskultur. Das ist die Begründung für alle Veränderungen und selbst der kulturellen Neuausrichtungen. In diesem Wandlungsprozess ist nicht die Menge der Informationen, Erscheinungsformen und Verfahren kennzeichnend, sondern die Nützlichkeit dieser Werte in der allgemeinen Lebensweise. Kulturelle Werte werden somit zu sozialen Gegebenheiten, die das Leben einer Gruppe in einer bestimmten Periode widerspiegeln. Sie verändern und entwickeln sich je nach den vielfältigen Veränderungen innerhalb der Gruppe; sie sind dynamischen Wechselwirkungen unterworfen, orientieren sich nach den bestehenden Normen und Regelungen, die sich ebenfalls entwickeln und neu gestalten. In Mittelosteuropa haben sich vielfältige Kommunikationsbeziehungen zwischen den sozialen Gruppen herausgebildet, mit verschiedenen Werteskalen und Verhaltensmustern, die von den sozial-politischen und kulturellen Gegebenheiten und von den besodneren Überlieferungen jeder Ethnie bestimmt werden. Die Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen führte zu bedeutenden sozio-ökonomischen und kulturellen Veränderungen, die sich – im Laufe der Zeit – positiv auswirkten. Die neuen Elemente aus sehr unterschiedlichen Herkunftsgebieten bewirkten durch Akkulturation, wirt- 10 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) schaftliche und kulturelle Veränderungen die Herausbildung der Grundlage für eine gemeinsame sozio-kulturelle Handlungsweise aller Ethnien der Region. 2.1 Der wirtschaftlich-soziale Rahmen für das Zusammenleben Die Kolonisten fanden hier in Mittelosteuropa eine relativ einheitliche und ausgebildete Kulturform einer Bevölkerung von Ackerbauern und Viehzüchter. Vorherrschend für die gesamte Bevölkerung dieser Region war die Landwirtschaft. Ungarn, Rumänen, Deutsche – alle hatten dieselben wirtschaftlichen Interessen, die gleiche Denkweise der Landbevölkerung, dieselben gemeinsamen Ziele und dieselben Konflikte. (Weber-Kellermann 1978: 141) Den Schwerpunkt des ländlichen Raumes bilden seine Beziehungen zu den Städten. Diese gestalten sich durch das Erlernen von Handwerksberufen, durch den Dienst der Mädchen in städtischen Familien, durch den Kontakt zu anderen Ethnien und verschiedenen sozialen Schichten, die Ausweitung des landwirtschaftlichen Unterricht und die Übernahme städtischer Gegenstände von Jahrmärkten. Dabei werden Waren und Informationen ausgetauscht. Es kommt dabei auch zum Erlernen der Sprachen benachbarter Ethnien (z. B. deutsche und slowakische Kinder erlernten die ungarische Sprache in Familien derselben Konfession). Nach 1944 kam es zu grundlegenden Änderungen der politischen, sozialen und kulturellen Staatsstrukturen, zum Wandel der zwischenmenschlichen - und der Produktionsbeziehungen. Die Ansiedlung von Bevölkerungsgruppen aus anderen, wirschaftlich schwächer entwickelten Gebieten Rumäniens sowie die gewaltsame Urbanisierung der dörflichen Siedlungen brachten einen sichtbaren Rückschritt des Lebensbedingungen und des kulturellen Niveaus aller Ethnien im Banat. 2.2 Interkultureller Austausch in der Banater Kultur und Kunst Die ersten zwischenethnischen Kontakte erfolgen im täglichen Leben innerhalb der Sprache, zuerst durch die Grußformeln und danach durch das Erlernen von Grundfomen der Nachbarsprache. Das geschieht während des Warenaustauschs oder bei der Übernahme wichtiger Informationen. Das Erlernen einer oder mehrerer Verkehrssprachen einer Region ist eine normale Erscheinung im Zusammenleben mehrerer Ethnien. Während eines längeren Zusammenlebesn kommt es zu vielfältigem und wesentlichem Austausch. Doch nicht immer sind wichtige Veränderungen das Ergebnis langen Zusammenlebens; manchmal kommen sie auch durch massiven Druck zustande, wie im Fall der gewaltsamen Magyarisierung. Interaktive Beeinflussung geschah im Bereich des Bauwesens und seiner Technologie. Daneben ist auch die österreichische Systematisierung der Ortschaften hervorzuheben. In den Ausdrucksformen der visuellen Kunst erhielten die byzantinischen und postbyzantinischen Baufor- men neue Impulse in den Bereichen der Gestaltung, der Rhythmik, der Farbgebung und neuer ikonographischer Themen. Der erste und wichtigste Einfluss erfolgte durch den mitteleuropäischen, klassizistischen Spätbarock. Der Wandel des optischen Repertoriums führte zu Änderungen in der Kleidung und in den schönen Künsten, sowohl in den gebildeten Kunstformen als auch in der Volkskunst. In der 11 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Literatur und Musik trat der interkulturelle Einfluss erst im 19. Jahrhundert auf; vorher gab es keine bemerkenswerten lokalen Schöpfungen. Es ist bemerkenswert, dass im Banat die wichtigsten interkulturellen Entwicklungen in allen Bereichen des täglichen Lebens stattfanden. 3 Interkulturelle Elemente in Ungarn und Rumänien Die Forscher Mária und Miklos Lantos, beide Museographen im Komitatsmuseum Baranya in Pécs stellten bei der genannten wissenschaftlichen Tagung von 2002 in Tübingen interethnische Elemente in der Bildhauerei der Region „Schwäbische Türkei“ vor (wobei es sich um die Komitate Baranya, Tolna und Somogy in Tranasdanubien handelt). Die Bezeichnung „Schwäbische Türkei“ für ein Gebiet in Südungarn, in dem eine deutsche Bevölkerung über 250 Jahre (von 1750 bis in unsere Tage) lebte, ist heute in der Fachwissenschaft akzeptiert, ebenso der Begriff Donauschwabe3. 3.1 Steindekmäler mit einer besonderen volkstümlichen Farbgebung Bei den Steinskulpturen der besprochenen Region handelt es sich hauptsächlich um Kreuze auf einem Sockel, die auf Feldwegen und Freiedhöfen, in Kapellen und Kirchen aufgestellt sind. Gewöhnlich wurden sie von Großgrundbesitzern zu besonderen Gelegenheiten – oft bei einem Besuch hochgestellter Persönlichkeiten - gestiftet. Andere Stifter sind Gemeinden oder Familien, gelegentlich einer glücklichen Wendung eines schlimmen Ereignisses. Die Stifter sorgten auch für den Erhalt der Standbilder. Diese Kunstwerke weisen interkulturelle Besonderheiten bezüglich ihrer Ausführung, des besonderen Sockels und der Farbgebung auf. Bei den frühen Kunstwerken – einige sogar aus dem 15. Jahrhundert - stehen besondere Denkmäler auf den Kreuzwegen, als Erinnerungen an das Leiden Christi. Auf den Sockeln stehen die bildlichen Darstellungen der heiligen Maria, der Mutter Gottes, der Maria Magdalena und des heiligen Johannes. Als Vorbilder dienten Standbilder mit den 14 Leidensstationen des Herrn auf Kreuzwegen und Kalvarienbergen aus katholischen Gebieten wie Bayern und Österreich. Im 19. Jahrhundert werden diese komplexen Standbilder verinfacht: Die Gottesmutter wird in einer Nische über dem Sockel dargestellt und es treten naive und ausdrucksstarke Darstellungen verschiedener Schutzheiliger, auf wie der heilige Florian (der Beschützer vor Feuergefahr), der heilige Wendelin (Schutzpatron der Haustiere), der heilige Urban (Beschützer der Weingärten), der heilige Valentin (Schutzheiliger vor Pest, Epilepsie und andere Krankheiten) Die gemeißelten Steinfiguren verkörpern Stilelemente des Barock, der Neogotik oder auch ek- lektische Elemente, je nach der Orientierung des jeweiligen Bildhauers. Die Grabsteine und Kreuze wurden seit dem 18. Jahrhundert bemalt, lediglich die roten und gelben Sandsteine aus Cserkút er- forderten keine Bemalung. Die Meister richteten sich nach den gewünschten Farben des Kunden, wobei die Farbgebung des Kreuzes und nicht des Sockels ausschlaggebend war. Demnach kann bei den Wegkreuzen folgende Differenzierung festgestellt werden: 1. Die ungarischen Auftraggeber aus den Gemeinden entlang des Kapos-Flusses sowie aus vielen Gemeinden des Komitates Somogy und in einigen Ortschaften um Fünfkirchen/ Pécs bevorzugten einen grauen Farbanstrich. 3 Der Ausdruck wird in wissenschaftlichen Abhandlungen verwendet als: englisch The Danube Swabians, französisch Les Suabes Danubienes, italienisch Svevi del Danubio, rumänisch Şvabi dunăreni, ungarisch A dunamenti svábok, serbokroatisch Švaba pudunavskih. 12 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) 2. Die Kroaten, entlang des Flusses Drava, in den Komitaten Baranya und Somogy, die Schokatzen (katholische Kroaten aus der Region Batschka) sowie die bonische Bevölkerung bemalten ihre Wegkreuze gelb und grün. 3. Die deutschen Eionwohner bevorzugten einen blauen Farbanstrich. Mária Lantos zitierte Ferenc Várady, den Verfasser einer Monografie des Komitates Baranya vom Beginn des 20. Jahrhunderts, der die deutsche Bevölkerung nach ihrer Tracht beschrieb. Auch Mária Lantos bestätigte, dass es in den Gemeinden des Kreises Mohatsch eine Gruppe „blauer Schwaben“ gab, die wirklich blaue Kleider und Röcke trugen. Die blaue Farbe herrschte in dieser Mikroregion vor und erstreckte sich auf die Grundfarben der Kleidung, der Bauernmöbel und der Steindenkmäler. (Lántos/Lántos 2002) In gemischtsprachigen Ortschaften in denen Schwaben und Ungarn zusammenwohnten, waren gegenseitige Einflüsse in der Auswahl der Farben für die Steinkreuze zu erkennen. Selbst die Statuetten der Gottesmutter trugen Kleider in der Vorzugsfarbe der Mehrheitsethnie eines Dorfes. 3.2 Die volkstümliche Architektur in Gebieten mit gemischten Ethnien Die Ethnologin Daniela Bălu aus Sathmar/ Satu Mare erläuterte auf der erwähnten wissenschaftlichen Tagung von 2002 in Tübingen, dass die volkstümliche Bauweise, besonders in Bezug auf die Auswahl der Baumaterialien an die Beschäftigungen der Einwohner und an die geographischen und klimatischen Bedingungen angepasst ist und im Bereich aller natürlichen Voraussetzungen verschiedene Bauweisen und Bauformen hervorbringt. Dennoch kann festgestellt werden, dass in siebenbürgischen Ortschaften mit gemischter Bevölkerung keine wesentlichen Unterschiede zu Gemeinden mit rein rumänischer, ungarischer deutscher (sächsischer bzw. schwäbischer) oder anderer Bevölkerung besteht. Schwäbische Scheune in Petrifeld/ Petreşti (Aufnahme Gehl: 1993) Auf dem schwäbischen Bauernhof kam der Scheune eine besondnere Bedeutung zu. Sie stand seitlich im Hinterhof, hatte ein Tor zur Straßenseite und ein Satteldach. Hier wurde das Getreide 13 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) gedroschen und hier wurden die Futterpflanzen, die landwirtschaftlichen Geräte und die Transportmittel gelagert. Der hohe Giebel bestand aus Brettern, die mit Laubsägenarbeit oder Reliefmotiven verziert waren. Ähnliche Funktionen wie die schwäbische Scheune im Kreis Sathmar hatte die sächsische Scheune in Siebenbürgen, doch diese Scheunen wurden parallel zum Wohn- haus erbaut und bildeten die Straßenfront. Dieser Bautypus der Scheune wurde von den anderen Ethnien der Region übernommen, genauso, wie die Schwaben für ihre ersten Wohnhäuser nach der Ansiedlung im 18. Jahrhundert den Typus der alten rumänischen und ungarischen Wohnhäuser mit den überlieferten Baumaterialien der Region übernahmen. Neue Elemente in der volkstümlichen Bauweise treten mit der Zunahme der städtischen Einflüsse auf, dsgl. mit dem Ersatz der lokalen Baumaterialien durch handwerkliche und industrielle Erzeugnisse, besonders Brennziegel und Dachziegel statt der Lehmziegel, des Schilfes und des Kornstrohs zur Dachdeckung. Die Modernisierung der schwäbischen Häuser betraf die Einführung der Zentralheizung, der Wasser- und Gasleitung. Einige Räume wechselten ihre Bestimmung zu Bade- und Arbeitszimmern sowie Garagen. Infolge der massiven Auswanderung der Schwaben nach Deutschland stehen viele ihrer verlassenen Häuser heute leer und drohen zu zerfallen. Deshalb ist es eine vordringliche Aufgabe, die besondere Bauernarchitektur der Sathmarer Schwaben in den multiethnischen Dörfern im Nordwesten Rumäniens zu dokumentieren und der Wissenschaft bekannt zu machen. (Bălu 2002: 59-73) 4 Der Akkulturationsprozess in der Erforschung der Volkskultur in Rumänien Der Ethnologe Walther Konschitzky erläuterte, dass die Untersuchung der interkulturellen Gegebenheiten in der rumänischen Volkskultur den Beitrag jeder Ethnie zur wechselseitigen Beeinflussung aller ethnolinguistischen Gruppen und die Herausbildung neuer, gemeinsamer Werte für die gesamte Region untersucht. (Konschitzky 2006) So verglichen Nicolae Dunăre und Luise Treiber-Netoliczka 1961 verschiedene Komponenten der Volkskultur in Siebenbürgen von Standpunkt des jahrhundertealten Kulturaustauschs. Sie zeigten – mit Hilfe von Wortentlehnungen zum Erkennen des Herkunftgebietes - den Wandel der dörflichen Siedlungsformen und der Wohnhausgestaltung. Die Autoren betrachten die Entlehnung als normalen Vorgang, genauso wie den Warentausch auf dem Markt. Alle Ethnien einer Ortschaft oder eines Gebietes akzeptieren in einer bestimmten Periode eine Arbeitsteilung, die allen Vorteile bringt. (Dunăre/Treiber-Netoliczka 1961: 47-76) Solche Arbeitsteilungen und Tauschprozesse setzen eien gegenseitige Achtung und die Kenntnis der regionalen Verkehrssprachen voraus. Das bewiesen Konschitzkys Feldforschungen im Banat, die auch aus Siebenbürgen bestätigt werden. Die handwerklichen Fertigkeiten der sächischen Meister waren bekannt und wurden geschätzt, jedoch nicht kritiklos übernommen. Die Handwerksmeister im benachbarten Szeklergebiet übernahmen die florale Ornamentik aus der Dekoration der sächsischen Möbel, doch sie entwickelten sie entsprechend ihren eigenen Kunstvorstellungen und verbreiteten diese erneuerte Kunstform.“ (Nicolae Dunăre/ Luise Treiber-Netoliczka 1961: 47-76) 14 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Diese Kunstdarstellung betrifft sowohl die Ornamentik als auch die Farbgebung. Ein Gegenstand, ein Ornament oder eine Gestaltungsweise wird nicht einafach kopiert, sondern wird kreativ weiterentwickelt. Dadurch entsteht eine neue Form, die sich durch bestimmte Merkmale von der Ausgangsform unterscheidet. Allerdings kann jede Entlehnung nur dann stattfinden, wenn beide Ethnien eine bestimmte sozial- historische Entwicklungsstufe erreicht haben. Je länger der gemeinsame Entwicklungsweg war, umso intensiver ist der gegenseitige Kulturaustausch. (Dunăre / Treiber-Netoliczka 1961: 47-76) Auf diese Weise haben alle Ethnien zur schöpferischen Entwicklung der siebenbürgischen Volkskunst beigetragen. Die Ethnologin Hanni Markel untersuchte ähnliche Entwicklungen im Wohnbereich der Siebenbürger Sachsen. (Markel 1973: 96-125) Die Forscherin widmete sich der historischen Entwicklung der interethnischen Beziehungen. Dabei ging Markel vom Beitrag der Brüder Grimm zur Sammlung sächsischer Märchen aus und befasste sich ausführlich mit Entlehnungen im Bereich der Volkserzählungen, die bis zu zweisprachigem Volksgut führten bzw. Elemente aus mehreren Sprachen aufwiesen. Wir begegnen hier einem typisch siebenbürgischen Voklksgut, das gemeinsam von mehreren Ethnien geschaffen wurde. Auch das Volksgut der Banater Schwaben weist Besonderheiten auf, die vom Forscher Karl Horak als kolonistische Neuschöpfungen bezeichnet wurden und eben auf das Zusammenleben und –wirken mehrerer Ethnien verweisen. (Horak 1938: 175) Adolf Schullerus verglich Mitte des 20. Jahrhunderts die sächsischen Märchen aus der Sammlung von Joseph Haltrich mit den Märchen der siebenbürgischen Rumänen und Ungarncu und stellet eine große thematische Ähnlichkeit fest. Es ist bemerkenswert, dass der Beginn der rumänischen volkskundlichen Tätigkeit von einem wertvollen interethnischen Ereignis geprägt ist: Die erste Sammlung rumänischer Märchen wurde von zwei deutchen Forschern aus Stuttgart vorgenommen. Einer davon hielt sich im Banat auf; er war Beamter des Montanamtes von Orawitza und Verwalter der Domäne des Grafen Bissingen in der Gemeinde Jam, Kreis Karasch- Severin. Durch die Publikation der Volksmärchen der Banater Rumänen in Deutschland gelangte die rumänische Folklore zum ersten Mal in den kulturellen Kreislauf Westeuropas. Es ist bedeutsam, dass sowohl in der Gestaltung der Märchensammlung Schott als auch bei der sächsischen Folkloresammlung aus Siebenbürgen von Joseph Haltrich die größten deutschen Volkskundler des 19. Jahrhunderts, die Brüder Iacob und Wilhelm Grimm mitgewirkt hatten. Die Veröffentlichung der Brüder Schott (Schott/Schott 1976) enthält auch wertvolle Informationen über die Volkskultur der Rumänen zur Mitte des 19. Jahrhunderts, besonders im Gebiet von Orawitza. Einige Mitteilungen betreffen auch das bäuerliche Haus und die rumänische Volksarchitektur. 4.1 Aspekte der Banater Kultur und Kunst, die das Zusammenleben der ethnolinguistischen Gruppen widerspiegeln Den ersten bedeutsamen geistigen Einfluss auf das Banat hatte im 18. Jahrhundert die neue, österreichische Verwaltung, das kaiserliche Heer und im Anschluss daran die katholische Kirche. Dieser Prozess war aber keine gewaltsame Durchsetzung der neuen Verwaltung, Religion 15 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) und Kultur, sondern eine freiwillige Übernahme aus einem wirtschaftlich-sozialem überlegenen Gebiet, wobei die staatlich geregelte soziale Disziplin für die nötige Toleranz sorgte. Wäre diese Übernahme gewaltsam aufgezwungen worden – wie im Falle Siebenbürgens -, so wäre es zu einer heftigen Abwehrreaktion der autochthonen Bevölkerung gekommen und die interethnischen Beziehungen wären nicht so vielseitig und fruchtbar gewesen, wie sich sich später entwickelt hatten. 4.2 Das gemeinsame kulturelle Erbe in der Volksarchitektur der Region Die unvoreingenommene Betrachtung der Tatsachen in Ostmitteleuropa verhindert die Scheuklappenbetrachtung einer nationalistischen Selbsterhöhung. Eine ethnografische Forschung aufgrund ideologischer Neutralität führt zum Schluss, dass in deutschen Volksgruppen nicht die konservative Bewahrung der Überlieferungen, sondern die Fähigkeit zur Erneuerung und der Veränderung des gemeinsamen Kulturerbes die wichtigste Rolle spielt. Es ist ersichtlich, dass die Übernahme fremder Kulturwerte das überlieferte deutsche Kulturgut nicht beeinträchtigt, wie die Verteter der „Sprachinselforschung“ behaupteten, sondern dass die schöpferischen Kräfte der Kolonisten durch die Verschmelzung des eigenen Kulturgutes mit neuen Elementen des Umfeldes belebt wurden. (Weber-Kellermann 1978: 91-123) Dieser Prozess verlief wechselseitig; die Bereicherung traf auch für das rumänische Kulturerbe zu. Bei der Untersuchung der Volkskultur, insbesondere des Giebelschmucks bei Banater Bauernhäusern, bildet die Übernahme neuer Elemente die Grundlage zum Verständnis der Entwicklungen und ihrer allgemeinen Einordnung in eines untergehendes System von materiellem Volksgut. Unsere Untersuchungen bezweckten neben der Erhebung auch die Sicherung und Weitergabe gemeinsamer volkstümlicher Kulturwerte. Diese sind keine Einzelerscheinungen in einer festen chronologischen Ordnung, sondern eine unendliche Vielzahl anonymer Beiträge, die im Laufe der Jahrtausende eine einheitliche, harmonische Struktur ergaben, die dem schöpferischen Geist des Volkes entspricht. (Bucur 1982: 67-218) Der deutsche Ethnologe Walther Konschitzky bringt in seiner Arbeit eine Vielzahl von 16 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Banater rumänischen, ungarischen und serbischen Bauernhäusern, die Zierelemente ihrer Giebel nach schwäbischen Vorbildern gestaltet haben. Deutsche Maurermeister haben sie nach den schwäbischen Vorlagen grbaut und entsprechend den Vorstellungen der rumänischen, ungarischen oder serbischen Besitzer weiter verziert. Als Beispiel möge ein rumänischea Bauernhaus aus Sârbova von 1825 dienen. Es hat einen reich verzierten, dreieckigen Giebel. Als Zierelemente dienen Sonnenvögel, Rosetten, Kreuze, ein heraldisches Motiv (eine alte Waffe), ein von Drachen bewachter Lebensbaum sowie verschiedene sekundäre Zierelemente. (Konschitzky 2006: 79) 4.3 Interethnische Wechselwirkungen in der Volkskultur und Volkskunst In der Volksultur jeder Ethnie ist die Fähigkeit zur Übernahme und schöpferischen Anpassung neuer Formen und Verfahren umso ausgeprägter, je größer der eigene Schatz an Kulturgütern sich darstellt und je besser er in den Wertesystem der Gruppe integriert ist. Durch den Akkulturationsprozess werden die schöpferischen Kräfte angeregt und die Anpassungsergebnisse werden die kulturellen Werte der Gruppe mehren und keinesfalls schmälern. Die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann ist der Meinung, dass die Akkulturation einen schöpferischen Erneu- erungsprozess darstellt, etwa im Bereich der Volksmusik in Kontaktgebieten, aber auch in anderen Gebieten, denn „Isolation und Verhinderung jedwelchen Fremdeinflusses bedeutet Niedergang; dagegen bieten geistreich assimilierte Anregungen viele Bereicherungsmöglichkeiten.“ (Weber- Kellermann 1978: 131) Nach seiner Auswirkung kann interkultureller Austausch in drei Kategorien eingeteilt werden: (Konschitzky 2006: 74) 1. In der Übernahme von Obiekten kann der Wechsel direkt erfolgen, ohne dass die übernommenen Werte bearbeitet oder verändert werden; sie werden sofort verwendet. Dieses Verfahren wird gewöhnlich bei der Einführung neuer Arbeitsweisen oder Werkzeuge in der Landwirtschaft und in verschiedenen handwerklichen Berufen, in der Herstellung von Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken (besonders von ortsspezifischer Schutzkleidung) angewandt. Häufig wird zugleich mit dem neuen Gegenstand auch seine Bezeichnung übernommen. Bei diesem Verfahren sind die Zweckmäßigkeit und die Arbeitsleistung ausschlaggebend. Die Kolonisten übernehmen vor allem jene Werte, die ihnen zur Anpassung an die neuen Lebensbedingungen dienen. So werden etwa im Bereich der Volkstracht – bedingt durch die neuen klimatischen Bedingungen – verschiedene Kleidungsstücke zum Schutz vor Wetterunbilden übernommen, weitere Elemente im Bereich des Hausbaus, der Ernährung und der Wirtschaft. (Konschitzky 2006: 80 f.) 2. In der Volkskunst erfolgt der Entlehnungsprozess durch die Übernahme von Gegenständenn zu festlichen, rituellen oder repräsentativen Zwecken. In diesem Bereich übt der konservative Bestand an überlieferten Schmuckelementen eine viel strengere Auswahl während der Übernahme. 3. Einen besonderen Platz nehmen die magischen Handlungen einer Etnie ein, die auch von anderen Volksgruppen übernommen werden: Handlungen um Menschen und Tiere zu 17 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) heilen, das Handlesen und weitere Formen des Wahrsagens. Solche Handlungen werden nicht direkt übernommen, sondern die ausübenden Personen werden zwecks ihrer Durchführung eingeladen. Die außergewöhnlichen Umstände sowie die Geheimhaltepflicht verhindern es, dass Personen fremder Gruppen ausführliche Informationen über den Text und die Durchführung der magischen Handlungen erfahren. Dennoch ist es bedeutsam, dass selbst in einem so intimen Lebensbereich Wechselbeziehungen zwischen den Ethnien bestehen. In dieser knappen Darstellung der Vielfalt und Wirksamkeit der interkulturellen Wechselwirkungen, beziehen wir uns für die erste Kategorie auf die Bekleidung und Ernährung. So können in multiethnischen Ortschaften aber auch in ganzen Regionen viele gemeinsame Arbeitskleider festgestellt werden. Dagegen zeigt die Festtagskleidung jeder Ethnie ein größeres Beharrungsvermögen und nur wenige Gemeinsamkeiten, etwa die Brautkrone, oder den Hutschmuck der Burschen bei ihrer Rekrutierung u.a. (Weber-Kellermann 1978: 113) Im Bereich des Ernährungswesens war die Einführung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel aller Ethnien die wichtigste Erneuerung seit dem 18. Jahrhundert, (Vlăduţiu 1973: 208), sowie die Übernahme des Maises durch die Deutschen in ihr Lebensmittelrepertoire. (Busshof 1938: 55). Alle drei Arten von kulturellem Wandel treten in der Volkskultur aller Banater Ethnien auf. Deshalb spricht Hanni Markel von besonderen Erscheinungen, die in allen sozialen und kulturellen Lebensbereichen auftreten. „Selbst die Isolation und Bewahrung der eigenen Übelieferungen muss im Sinne der interkulturellen Studien untersucht werden, denn trotz der konservativen Gesamthaltung können besondere Phänomene und Formen auftreten.“ (Markel 1973: 96-125) Im mündlichen Volksgut werden lokale Sagen und Motive übernommen, die sich auf historische Ereignisse beziehen, die vor der Ankunft der Kolonisten in dieser Region stattfanden. Und die fantastischen Erzählungen im Banater Volksgut enthalten Motive und Erzählungen von übernatürlichen Ereignissen. Am langsamsten erfolgt der Kulturaustausch im Bereich des Brauchtums im Lebenskreis und im Jahresablauf. Doch wechselseitige Einflüsse sind auch hier zu beobachten. So gibt es Übernahmen aus dem Brauchtumskreis des Faschings (auch rum. Fărşang), der den Beginn der österlichen Fastenzeit einläutet. Zu diesem Zeitpunkt stellt die deutsche Minderheitsbevölkerung in Dognetscha/Dognecea (Kreis Karasch-Severin) als zentrale Gestalt eine Johann benannte Puppe dar, um die drei Tage lang Fruchtbarkeitshandlungen in Form von Spielen ausgeführt werden. (Markel 1973: 75) Die Texte des heiteren Begräbnisrituals dieser Person, welche das Ende der Lustbarkeiten und den Beginn der Fastenzeit im Jahreszyklus bezeichnet, werden wechselweise deutsch und rumänisch vorgetragen. Zudem haben die Rumänen den gesamten Brauch übernommen und entsprechend ihren Vorstellungen weiterentwickelt. Bei den rumänischen Umzügen ist die zentrale Figur eine Nichita genannte Holzpuppe, welche die phallische Symbolistik aus dem deutschen Brauch übernommen und bewahrt hat. Auch die serbische Bevölkerung mehrerer Gemeinden in der Donauklamm feiern den Fasching nach deutschem Vorbild, indem sie die Puppen Hänsel und Gretel auf einem Wagenrad durchs Dorf führen. Andere Ethnie bewahren im Banat alte Bräuche, die von den früheren Trägern bereits aufgegeben wurden. So werden in mehreren Städten und Dörfern die ursprünglich rumänischen Neujahrsumzüge mit der „Ziege“ (der Capră) heute von Roma-Gruppen für alle Bewohner der jeweiligen Ortschaft aufgeführt. Gleichfalls Roma-Gruppen führten bis zum Zweiten 18 memoria ethnologica nr. 42 - 43 * ianuarie - iunie 2012 ( An XII ) Weltkrieg für die schwäbische Bevölkerung des Banats einen Brauch zur Regenbeschwörung, die Reenmotter („Regenmutter“, ähnlich rum. Paparudele) auf. Die Texte des Spiels waren nur schwäbisch. (Konschitzky 2006) Der sichtbarste Banater interkulturelle Ausgleich sind die religiösen Feiern zu Allerseelen, (2. November) Totengedenken, Gräberschmuck mit Blumen und Kerzen, die fast alle Bewohner Temeswars von den Katholiken übernommen haben. Ähnliches Brauchtum hat sich bei allen Ethnien zu Weihnachten entwickelt, wobei der Christbaum zum gemeinsamen Motiv wurde. Das Brauchtum im Familienkreis weist interethnische Übernahmen bei der Vorbereitung und Durchführung der Hochzeitsfeiern aller Ethnien der Region auf. Es gibt Ähnlichkeiten im prunkvollen Feiern und in der Festkleidung: Brautkranz, weißes Brautkleid u.a. Ähnlich oder gleich sind auch Blumenkräze bei Begräbnissen, der Leichenwagen für den Transport des Sarges und die steinernen Friedhofskreuze, die in weiten Teilen des Banats bis heute barocke Formen bewahren. BIBLIOGRAFIE Bălu, Daniela (2002): Volkstümliche Architektur in interethnisch geprägten Gemeinden des Kreises Sathmar (Arhitectură populară în comunele interetnice din judeţul Satu Mare). In: Regionale Volkskulturen in Ostmitteleuropa. Abgrenzung – Nachbarschaft – Interethnik. Hans Gehl (Coord.), IdGL, Tübingen, S. 59-73. Bucur, Corneliu (1982): Creaţia tehnică în istoria gândirii creaţiei ştiinţifice şi tehnice româneşti (Die Rolle des technischen Schaffens in der Ideengeschichte der rumänischen Wissenschaft und Technik). 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